Wie der Golfsport das Walliser Haut-Plateau verändert hat
Der Golfplatz von Crans-sur-Sierre, der «schönste Golfplatz der Alpen», ist ein Geschenk der Natur an den Ferienort auf dem Walliser Haut-Plateau.
1906 errichtete die englische Gruppe Henry Lunn, Eigentümerin des Palace Hotels in Montana, auf den Wiesen von Crans einen Golfplatz für ihre Gäste. Eine erste 9-Loch-Anlage wurde im selben Jahr eröffnet. Die zweiten 9 Löcher folgten 1907. Obwohl der grösste Teil des Geländes auf dem Gebiet der Gemeinde Lens lag, waren die meisten Bauern, denen das Land gehörte, Bürger des Nachbardorfes Chermignon.
Zunächst weigerten sich die Dorfbewohner, ihre Weiden zu verkaufen, da sie das Land für die Heuernte benötigten. Die Gemeinde Lens zeigte sich jedoch entgegenkommender und erklärte sich bereit, einige Grundstücke in der Nähe des Étang-Long zu verpachten. 1911 wurde eine «Association du golf de Cran» gegründet, und 1914 unterzeichnete der Verein einen Pachtvertrag über 15 Jahre, wobei das Heu der nicht für den Golfsport genutzten Flächen den Eigentümern verblieb. Für die Einwohner von Chermignon und in geringerem Masse auch für diejenigen von Lens und Montana wurde der Golfsport zu einer willkommenen Einnahmequelle, insbesondere für junge Männer, die als Caddies arbeiteten und sich für diesen Sport zu interessieren begannen.
Die Buvette am Waldrand südlich des Étang-Long zog Spieler und Sommergäste an, die mit der Kutsche vom Montana Palace kamen. Die Betreiber der Buvette kamen auf die Idee, ein Hotel zu bauen, das spätere Hôtel du Golf. Das Projekt wurde am 8. Januar 1914 lanciert. Der Krieg und der Tod eines der Bauherren verzögerten die Fertigstellung, aber 1919 standen den Spielern 9 Löcher zur Verfügung. Das Golfhotel wurde 1921 wiedereröffnet. Weitere Hotels folgten. Der Platz wurde von einem englischen Golfarchitekten umgestaltet und die neue 18-Loch-Anlage wurde 1929 eingeweiht.


Im Laufe der Jahre gewann der Golfsport für das Leben in der Region immer mehr an Bedeutung. Vor dem Zweiten Weltkrieg spielten nur die Hoteliers Golf. Der begabteste unter ihnen, Antoine Barras, gewann 1938 die Schweizer Amateurmeisterschaft. Seine Söhne André und Olivier prägten den Schweizer Amateurgolfsport in den Nachkriegsjahren. Die Söhne der Dorfbewohner lernten den kleinen weissen Ball als Caddies kennen. Sie stiegen zu Fuss von den Dörfern hinauf oder kamen aus den Maiensässen herunter, wo ihre Eltern mit dem Vieh übersommerten. Sie brachten willkommenes Geld in die meisten Familien, die nur über bescheidene Einkünfte aus der Landwirtschaft und dem Weinbau verfügten.
Wohlstand und sozialer Aufstieg
Bis in die Sechzigerjahre war das Golfspiel den Gästen des Ferienorts vorbehalten. In der Nachkriegszeit gab es unzählige Promis, die um die Preise wetteiferten, die in einem ganz speziellen Ritual im Sporting von René Payot, dem berühmten Journalisten und Präsidenten des Golfclubs, überreicht wurden: König Leopold III. von Belgien und seine Frau, die Prinzessin von Réthy, die Gräfin Gilberte des Courtils, der Vicomte Jacques de Saint-Sauveur und seine Frau Lally, eine der grössten Persönlichkeiten des Frauengolfs im 20. Jahrhundert, Maurice Couve de Murville, französischer Minister und Premierminister, Schauspieler Bernard Blier, Schüler des berühmten Louis Jouvet, aber auch grosse italienische Namen wie Piero Cora oder Mitglieder der marokkanischen Königsfamilie. Der Hauptpreis ging meist an Lokalmatadoren wie an Antoine und an seinen Sohn Olivier Barras oder Henri Bonvin.
Der Umgang mit so vielen berühmten Persönlichkeiten beeindruckte die Caddies. Sie liessen sich vom Spiel anstecken. Als Schläger verwendeten sie Holzbretter, um ihre Bälle zu rollen, und gruben kleine Löcher in die Dorfstrasse. Die Ehrgeizigsten unter ihnen wurden Golflehrer und unterrichteten den Golfswing.

Der Wohlstand, der dank des Tourismus in der Region Einzug hielt, führte zu einer schrittweisen Entwicklung der Gesellschaft. Die ehemaligen Caddies wurden erwachsen, übten verschiedene Berufe im Ferienort aus und wurden oft hervorragende Golfer. Sie durchbrachen die unsichtbare Barriere, die es den Einheimischen nicht gestattete, sich mit den Gästen des Ferienorts zu messen. Der Golfsport wurde demokratischer und entwickelte sich im Walliser Haut-Plateau zu einem Instrument des sozialen Aufstiegs. In der traditionellen Dorfgesellschaft war der Beruf des Caddies bis etwa 1975 den Jungen vorbehalten, dann erst tauchten die ersten Mädchen auf. Der bekannteste Caddie war Gaston Barras, von Beruf Immobilienmakler, während zwei Jahrzehnten auch Gemeindepräsident von Chermignon, und später Präsident des Golfclubs Crans und des Schweizerischen Golfverbandes.
Ab 1953 wurde ein zweiter 9-Loch-Platz gebaut und die alte 18-Loch-Anlage wurde mehrmals umgestaltet Diese Umbauten wurden bis heute mit beträchtlichen finanziellen Mitteln fortgesetzt. Der alte Werbeslogan, wonach der Platz von Crans der «schönste Alpengolf der Welt» sei, hat bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren, ebenso wenig wie die Worte des ehemaligen Präsidenten René Payot: «Crans, das kleine St Andrews der Schweiz.» Heute sind der «Severiano Ballesteros» und der «Jack Nicklaus» die Visitenkarten der Region.
Von der Swiss Open zum European Masters
Die beiden Plätze, die sich über eine Fläche von mehreren hunderttausend gepflegten und bewaldeten Quadratmetern erstrecken, haben einen bedeutenden Teil des Haut-Plateaus vor einer grassierenden Überbauung verschont. Das konnte nicht ohne Widerstand geschehen. Bereits in der Vorkriegszeit musste wegen eines Chalets, das oberhalb des 3. Greens errichtet worden war, eine Strasse gebaut werden. Der gesamte Golfplatz wurde schrittweise von Gebäuden umzingelt, sodass sogar das Bundesgericht eingreifen musste, um die Anlage vor den Immobilienmaklern zu schützen. Das Projekt für einen zweiten 18-Loch-Parcours scheiterte schlussendlich an den Bauten, die auf den dafür vorgesehenen Grundstücken bereits standen.
Einer der entscheidenden Faktoren für die Bekanntheit des Golfplatzes von Crans war die Organisation der Swiss Open. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1948, wurde das 1939 erstmals durchgeführte Turnier wieder aufgenommen. Seitdem ist der Anlass stetig gewachsen. Das «nette kleine Turnier», wie es der Sieger von 1961, der Australier Kel Nagle, nannte, wurde 1983 zum European Masters erhoben, einem der grössten Sportevents der Schweiz. Heute wird das Turnier weltweit live im Fernsehen übertragen und zieht jedes Jahr mehr als 50’000 Zuschauer an. Im Laufe der Jahre kamen einige der grössten Champions – meist zu Beginn ihrer Karriere – nach Crans, wie der Spanier Severiano Ballesteros, die Engländer Nick Faldo und Sandy Lyle, der Nordire Rory McIlroy oder, in jüngerer Zeit, der Däne Rasmus Højgaard und der Schwede Ludvig Åberg. (Red.)