Die Geschichte des Handicap-Systems weltweit und in der Schweiz
Ein kurzer ÜberblickGolf und die Handicap-Idee – seit jeher eng verbunden
Die Idee der Vergabe von Handicaps gab es im Golfsport seit den Anfängen. Grund 1: Die Ausübenden aufgrund ihrer spielerischen Qualitäten zu klassieren. Grund 2: Um im selben Wettkampf sowohl dem absolut Besten eine Siegeschance zu geben, als auch der Spielerin oder dem Spieler, die gemäss ihrer Klassierung im Verhältnis am besten gespielt hatten.
Eine erste Erwähnung findet eine solche Schlagvorgabe bereits im späten 17. Jahrhundert durch Thomas Kincaid, Medizinstudent und begeisterter Golfspieler. Die Spieler machten damals die Schlagvorgabe pro Loch unter sich aus.
Eine Systematik zur Handicap-Vergabe wird Mitte des 19. Jahrhunderts in H.B. Farnies Golfer Manual erstmals offiziell erwähnt. Folgende Vorgabe werden dabei festgelegt:
«Third»: ein Schlag alle drei Löcher
«Half»: ein Schlag alle zwei Löcher
«One»: ein Schlag pro Loch
«Two»: zwei Schläge pro Loch
Ein System, das in seiner Einfachheit und Logik auch heute noch überzeugen kann.
Ab 1976 wurde Ordnung in das Handicap-System gebracht
1976 schlug die USGA (United States Golf Association) ein systematisches Course Rating (Beurteilung des Schwierigkeitsgrades eines Golfplatzes) vor. Federführend war Dean Knuth, «The Pope of Slope». Zusammen mit 15 weiteren Mathematikern und zahlreichen Freiwilligen erarbeitete er ein Course Rating System, das bis heute in ähnlicher Form verwendet wird. Dieses System ermöglicht einen Vergleich der Schwierigkeit eines Platzes für Scratch- und Bogey-Spieler und ist Voraussetzung für ein systematischeres, komplexeres Handicap-System.
In der Schweiz sind 1983 erstmalige Erfahrungen mit diesem neuen USGA-System durch den Golf Club de Genève dokumentiert. Die 20 letzten Scores wurden vom Computer erfasst, der den Mittelwert der 10 besten Scores errechnete. Vom Durchschnitt wurde das SSS des Parcours abgezogen und mit 0,96 multipliziert – und das Handicap stand fest. Kritiker störten sich vor allem an der Tatsache, dass auch Freundschaftsspiele zählten.
1984 wurde in der Schweiz durch die damalige ASG unter der Leitung von Generalsekretär Johnny Storjohann das CONGU System eingeführt. Es handelt sich dabei um ein inkrementales System, d.h. die Handicap-Veränderung erfolgt ausgehend vom bestehenden Handicap ohne die Historie des Handicaps zu berücksichtigen. Es gab vier offizielle Handicap-Kategorien und eine freiwillige fünfte Kategorie mit entsprechender Erhöhung des Handicaps pro unterspielten Schlag:
Kategorie | Herabsetzung des Exact Hcp für jeden unterspielten Schlag | |
1 | bis 5 | 0.1 |
2 | 6 bis 12 | 0.2 |
3 | 13 bis 20 | 0.3 |
4 | 21 bis 30 | 0.4 |
5 | 31 bis 36 | 1.0 |
Das Handicap wurde herabgesetzt, eine Anpassung nach oben war nicht vorgesehen. 2000 wurde das CONGU Handicap-System durch dasjenige der EGA (European Golf Association») abgelöst.
Das Prinzip blieb ähnlich. Es gab jetzt aber offiziell fünf Handicap-Kategorien. Das System war etwas komplexer. Schlechtes Spiel ausserhalb der sogenannten Pufferzone führte zu einer Heraufsetzung des Exact Handicaps. Zeitweise wurde ein sogenannt aktives Handicap definiert, welches mindestens zwei zählende Resultate pro Jahr voraussetzte.
2016 wurde die Handicap-Kategorie 6 bis Handicap 54 hinzugefügt. Gleichzeitig wurde die automatisierte Heraufsetzung des Handicaps für die Kategorie 4 – 6 abgeschafft.
EGA-Handicap-System 2016
Kategorie | Herabsetzung pro Schlag | Heraufsetzung falls nicht in Pufferzone | |
1 | -4.5 | 0.1 | 0.1 |
2 | 4.5 - 11.4 | 0.2 | 0.1 |
3 | 11.5 - 18.4 | 0.3 | 0.1 |
4 | 18.5 - 26.4 | 0.4 | |
5 | 26.5 – 36.0 | 0.5 | |
6 | 37 - 54 | 1.0 |
Bis in die frühen 1980er Jahre galt in der Schweiz Folgendes
- Jeder Club konnte entscheiden, wer für das Festlegen des Handicaps zuständig ist (in der Regel der Captain, dann die Spielkommission und bei Unklarheiten eventuell der Präsident).
- Das Handicap bestand nur aus einer ganzen Zahl (keine Dezimalstellen) und es gab kein «Plus-Handicap». Bestes Handicap war 0.
- Grundsätzlich ging das Handicap nur nach unten (Erhöhung nur in Spezialfällen durch Entscheid des Captains oder der Spielkommission des jeweiligen Clubs).
- Nach jedem Wettkampf, bei dem das aktuelle Handicap unterspielt wurde, legten der Captain oder die Spielkommission das neue Handicap fest. Regeln, wie das zu geschehen hatte, gab es offenbar nicht. Wurde aus Sicht der Handicap-Zuständigen ein zufällig gutes Resultat erzielt, wurde das bestehende Handicap weniger stark hinuntergesetzt als es das Ergebnis erfordert hätte.
- Basis für das Festlegen des Handicaps war das SSS (Standard Scratch Score), das vom Captain oder von der Spielkommission am Turniertag bestimmt wurde: Bei Regen, Kälte und Nässe höher, bei Sonnenschein und Trockenheit tiefer. Das Festsetzen des SSS stand im Ermessen des Clubs (Captain/Spielkommission). Betreffend Handicap-Festsetzung wurde das erzielte Resultat auf das jeweilige Tages-SSS bezogen. Der Captain des Clubs nahm nach seiner Einschätzung eine individuelle Handicap-Zuteilung vor.
- Das neue Handicap wurde auf der Rangliste des Turniers bei der entsprechenden Person jeweils von Hand eingetragen.
- Zu einem späteren Zeitpunkt wurden alle Handicaps 4 und darunter von der ASG festgelegt und verwaltet.
- Das maximale Handicap eines Golfers oder einer Golferin war 18, später 24. Aus dieser Zeit stammen auch die Zulassungsbeschränkungen einiger Golfclubs auf ein Maximalhandicap von, zum Beispiel, 24. Diese haben teilweise bis heute Bestand.
Ab 2019: Das World Handicap System (WHS)
Bis zur weltweiten Einführung des WHS 2019 gab es zahlreiche unterschiedliche Handicap-Systeme: USGA, EGA, CONGU, Golf Australia, South African, Argentinian und andere mehr!
Mit dem WHS wurde eine Vereinheitlichung erzielt. Neu werden die besten 8 der letzten 20 Ergebnisse gewertet und der Durchschnitt dieser 8 Score-Differentials ergibt das Exact- Handicap der Spielerin oder des Spielers. In der Schweiz erfolgte die Einführung aufgrund der Covid-Pandemie mit etwas Verzögerung erst im Januar 2020.
1. Januar 2024: «First World Handicap System Revision»
Die globale Revision wurde in einer Pressemitteilung am 8. November 2023 angekündigt:
Die USGA und The R&A gaben heute die erste Aktualisierung des World Handicap System™ (WHS™) als Teil einer laufenden Überprüfung der Rules of Handicapping™ und des Course Rating System™ bekannt, wobei der Schwerpunkt weiterhin auf Genauigkeit, Konsistenz und Gerechtigkeit liegt. Die jüngsten Überarbeitungen werden am 1. Januar 2024 in Kraft treten.
In vielen Ländern ist die Zahl der für Handicap-Zwecke eingereichten Scorekarten seit der Einführung des WHS im Januar 2020 deutlich gestiegen, was die zunehmende Attraktivität des Golfsports widerspiegelt. Mehr als 100 Millionen Ergebnisse wurden jedes Jahr veröffentlicht und vereinen Millionen von Golfern durch ein einheitliches Mass für ihre Spielfähigkeit. Die Aktualisierung für 2024 nutzt die weltweit gesammelten Leistungsdaten sowie die Rückmeldungen aus vielen der 125 Länder, die das System derzeit nutzen.
Quellen:
Popeofslope.com/history
Wikipedia
Ega-golf.ch
Whs.com
Swiss Golf Magazin
Golf & Country 1983 und 1984